Weil wir während Corona Langeweile hatten und uns nicht trauten wegen unseres EU- Kennzeichens den erweiterten Euskirchener Kreis zu verlassen legten wir uns im Frühjahr ein neues Hobby zu: Häuser besichtigen.
Wir nahmen die Besichtigungstermine als Übungen und als willkommene Tagesausflüge. Denn auch wenn wir bei unserer Reise regelmäßig den örtlichen Immobilienmarkt ausgecheckt haben (wir können an keinem Immobilien-Schaufenster vorbei gehen) haben wir erst einmal in Lettland eine richtige Makler-Besichtigung mitgemacht.
Unsere Traumhaus-Vorstellungen: Maximal 350.000 Euro, bezugsfertig, Minimum 2000 qm Fläche und maximal 180 qm Wohnfläche. Besonders letzteres war offenbar unser Flaschenhals, denn es stellte sich heraus, dass es zwar viele große Grundstücke gibt – dort stehen aber gerne mal Mehrfamilien-Bauernhäuser oder eine riesige Villa drauf. Wir wollen aber nicht so viel Platz haben, den stellt man nur mit Scheiß zu und wir haben schließlich das letzte Jahr glücklich in 6 qm verbracht.
1. Besichtigung: Das Erdwärme-Haus
Den Anfang machte Ende Mai ein kleines Haus in Kall-Scheven mit drei Besonderheiten: Es ist ein Fertighaus (hatten wir bisher Vorurteile gegen), es hat eine Erdwärmeheizung und, der Knaller: Im Ort gibt es eine direkte Bahnverbindung nach Köln.
„DER ZUG NACH KÖLN VERSPÄTET SICH UM 10 MINUTEN!“
Wider unseren Vorurteilen (siehe diese gruselige Doku) machte das Fertighaus einen tollen, nicht hingeknallten und liebevoll und modern eingerichteten Eindruck. Leider konnte uns die Maklerin nicht viel mehr über die Erdwärmeheizung erklären, als das was wir ergoogeln konnten: „Da haben Sie mich jetzt aber auf dem falschen Fuß erwischt, naja, kalte und warme Luft werden ausgetauscht und daher ist die Heizung sehr günstig und grün.“ Aber es war spannend, mit dem System mal in Berührung zu kommen.
Während schon die nächsten Hauskauf-Interessenten ankamen bummelten wir noch ein bisschen im Garten herum. Leider konnte man von den Nachbargrundstücken super jeden Winkel einblicken. Besonders der hintere Bereich des Gartens interessierte uns, denn er sah echt cool aus, schien aber total unbenutzt. Bis eine dröhnende Stimme die Stille durchbrach: „ DER ZUG NACH KÖLN VERSPÄTET SICH UM 10 MINUTEN!“ Tja, da bekam die Makler-Beschreibung „Beste Anbindung“ total Sinn, denn der Bahnhof liegt direkt hinter einer Hecke am Garten. Das Juwel sollte dann knapp 400.000 Euro kosten, was die Maklerin sicher auch rein gekriegt hat, denn das Goldstück ist, Stand 19.7. nicht mehr auf dem Markt. Wir lehnten dankend ab.
2. Besichtigung: Das „Das-hab-ich-alles-selbst-renoviert-Objekt“
Wir sagen mal so: Wenn wir selbst als Superlaien auf den ersten Blick sehen, dass es nicht so eine tolle Idee war bei den neuen Rollläden selbst Hand anzulegen, dann finden wir es schon sehr selbstbewusst ins Exposee zu schreiben: „Wurde ständig renoviert“.
Dabei hätte es so schön sein können: Der Ort Immerath in der Eifel ist wirklich zauberhaft und hat keine Durchgangsstraße. Die Häuser sind alt und schön hergerichtet. Alle Häuser? Nein, ein kleines verwinkeltes Haus wurde von den Vorbesitzern architektonisch so lange pennetriert, bis man beim Durchlaufen nur noch die Hände über dem Kopf zusammen schlagen konnte. „Ähm, warum steht die Teigschüssel da unter der Heizung? Warum ist ein Teil der Decke im Wohnzimmer mit Holz bedeckt? Und warum habt ihr euch mit wackeligen, nicht befestigten Steinen als in den Berg geschlagene Leiter zum Garten begnügt?
Der AlpTraum sollte dann noch 220.000 Euro kosten – bei maximal 6Mbit/s Internet. Wenigstens die Umgebung ist schön, dachten wir, als wir zu einem Maar (See, der durch einen Vulkan entstanden ist) stiefelten. Bis ein Flugzeug supertief aus den Wolken über uns brach. Tja, Frankfurt-Hahn ist nur 30 km entfernt. Und, was mein Bruder uns anschließend mitteilte: „Nur 10 Kilometer davon liegen die einzigen in Deutschland bestätigten Atomwaffen. 20 Stück.“ Überflüssig zu sagen, dass wir weitersuchten. Wer Interesse hat: Das Haus ist noch auf dem Markt, Anfragen an Julia.
3. Besichtigung: Der Jäger-Traum im Wald
10 Hektar Wald an einer „Traumschleife“ (ausgezeichnete eifelantische Wanderwege), ein mäanderndes Bächlein durch Wiesen und Felder, eine uralte Obstbaumwiese und nur 10 Nachbarn – hach, Julia trauert dem Jagdhaus im Wald immer noch hinterher. Das Traumhaus liegt in einem Seitental, aber trotzdem nur 35 Minuten von Koblenz entfernt.
10 Hektar – das sind schon estnische Hauskauf-Verhältnisse, so etwas kriegt man in Deutschland sehr, sehr selten. Zudem gab es einen eigenen, 60 Meter (auch sehr selten) tiefen Trinkwasserbrunnen, was unsere Prepper-Herzen schlagen ließ.
Also wenn es das Herz hätte entscheiden dürfen… vor allem Julia säß schon längst im Haus im Wald und ließe sich von Vögelchen morgens anziehen. Leider mussten wir Helges Pragmatismus recht geben: das Haus sah zwar von draußen toll aus, war von innen aber auf Jägerfreuden optimiert. So gab es einen großen, gekachelten Schlachtraum und viele, viele komische kleine Zimmer mit toten Tieren drin.
„Internet? Kommt aufs Wetter an“
Statt eines Gartens gibt es zwei lange Zufahrtswege, eine Doppelgarage in Traktorgröße und einen unbenutzbaren Hang-Garten. Man hätte wirklich noch sehr, sehr viel Geld reinstecken müssen, dafür waren uns die aufgerufenen 420.000 Euro viel zuviel. (Stand heute: 390.000 Euro). Den Todesstoß versetzten uns aber die Nachbarn, denen wir auf unserer Rundtour begegneten. Auf unsere Frage: „Wie ist das Internet denn hier?“ gab es die ernüchternde Antwort: „Kommt aufs Wetter an.“ Denn es gibt keine Kabel, das Netz kommt per Funk vom Nachbartal. Leider ein K.O. Kriterium für uns.
4. Besichtigung: Die alte Wassermühle
Die Bilder hatten uns nicht so geflasht, aber die Aussicht, eine funktionierende Wassermühle zu besichtigen hatte uns neugierig gemacht. Und so fuhren wir nach einem Besuch beim Brüderchen in Trier Anfang Juni nach Schönecken (unser inoffizieller Slogan: „Es gibt viele schöne Ecken, aber nur ein…“). Und von Außen machte das Objekt auch nicht so viel her. Und es regnete. Aber dann…
Die bisherigen Besitzer hatten das Haus von innen total clever und schön eingerichtet. Zum Beispiel war unter der Treppe (im Harry Potter-Zimmer höhö) ein kleines Bad, sogar mit Dusche untergebracht. Eine Wand im Wohnzimmer war mit Lehm verputzt und hatte dahinter eine Wandheizung. Dazu eine nette, kompetente, niederländische Maklerin, die alle Fragen beantworten konnte.
Alles sah aus wie geleckt, super sauber, super gut erhalten, die Besitzter sind Handwerker. Dazu der große Garten, Hühnerstall, die Mühle mit Wasserrechten, die zweimal mehr Strom produziert als man verbraucht, eine eigene Quelle, die aus dem Naturschutzgebiet oben drüber kommt. Wir waren nur begeistert. Und: Tataaaa, 200 Mbit/s Internet. 27 Prozent Zuschuss von der Gemeinde, wenn man die Fassade (teilweise Asbest) neu macht. Kindergarten, Schule, Supermarkt, Bäcker, Pommesbude, Bücherei, Handwerker, alles im Ort. 30 Vereine auf 1500 Bürger. Und rundrum Naturschutzgebiet.
Dass wir in Deutschland bleiben wollten stand mittlerweile fest
Tja, da kamen wir ganz schön ins Schwimmen. Überlegten aber noch, bis September abzuwarten. Denn auf uns warteten noch ein Lehmbau-Workaway, ein Besuch im 7-Linden-Ökodorf und zwei Wochen Permakultur-Workshop. Was, wenn wir da als total neue Menschen rauskommen würden und plötzlich andere Kriterien hätten? Andere tolle Orte kennen gelernt hätten?
Dass wir in Deutschland bleiben würden stand mittlerweile fest. Zu groß saß der Corona-Schock bei uns. Während wir uns eher als Europäer gesehen hatten, bekleckerte sich die EU während der Pandemie nicht mit Ruhm. Was wurde als erstes gemacht? Die Grenzen geschlossen und für sein Land optimiert. Dieser unfreiwillige Stresstest zeigte uns: Als Ausländer wären wir im Ernstfall Bürger 2. Klasse. Deswegen sollte es also Deutschland werden.
Wir fuhren zu unserem ersten Workshop und vertrösteten die Maklerin auf September. Auf dem Weg machten wir noch unsere
5. Besichtigung: Die Raucher-Hölle.
Wäre ich Makler, ich würde den Verkäufern nahe legen, die in jedem Zimmer verteilten Aschenbecher für eine Besichtigung wegzustellen. Und auch mal zu lüften. Wir besuchten ein Holz-Blockhaus. Klang erstmal schön, aber die Zimmer waren so dunkel, die Aufteilung so seltsam und es STANK, sodass wir die Besichtigung zwischendrin abbrachen. Höhepunkt des Maklers: „Hier im Wohnzimmer gibt es einen Kachelofen. Wenn man den anmacht, wird es aber zu heiß um sich dort aufzuhalten.“
Naja.
Weiterhin besuchten wir auf dem Weg zum Workshop unsere Freunde in Münster und Göttingen. Immer wieder kam ein Thema auf: „Diese tolle, alte Wassermühle… <3 <3 <3“
Bis Helen, unsere Selbstversorger-Freundin zu uns meinte: „Ernsthaft: WORAUF WARTET IHR NOCH?“
Stimmt eigentlich, so ein für uns passendes Objekt gibt es sicherlich nicht so oft. Also riefen wir die Maklerin an…. Und düsten ein paar Tage später mit meinem Vater und einem guten Freund, der Bausachverständiger ist, nach Schönecken.
Tja… Überraschung: Am Ende der Besichtigung gab es einen Handschlag und ein paar Tränchen, denn wir werden Mühlenbesitzer sein! Happy Hauskauf!
3 Comments
Toll, Gratulation 👍
wow, wir melden uns chon mal zur Einweihungsparty an 😀
Tolles Objekt Hut ab, dort hätte man sicher eine TOLLE Kindheit 😉*schmunzel*
Lg Adina