Jetzt, nachdem sich der erste große Schock gelegt hat und wir langsam wieder auf Normalität (oder auf die 2. Welle) zusteuern, wollen wir noch einmal rekapitulieren, wie wir unser Corona-Asyl bei meinen Eltern verbracht haben.

Neben all dem Krass-krass-KRASS war Helge und mir ziemlich schnell klar, dass wir einen relativ strikten Tagesablauf brauchen…. Warum sollte man sich sonst aus dem Bett wälzen? Daher haben wir festgelegt wann wir aufstehen wollten (8.30h), dass wir danach Youtube-Sport machen und uns anschließend Zeit für ein „Selbststudium“ nehmen wollten. Bei Rebuy haben wir dafür einen ganzen Stapel gebrauchter Sachbücher und Belletristik bestellt.
Mittags kochte ich mit meinem Vater im Wechsel (der Arme, Helge und ich sind Vegetarier). Uns war wichtig, dass wir unsere Abwehrkräfte auch mit gesundem Essen pushen, mit Sport und Spaziergängen.
Strikter Tagesablauf
Am Nachmittag ging Helge meistens lange wandern und ich werkelte im Garten herum. Wir hatten uns pro Tag eine Aufgabe „mit den Händen“ vorgenommen. Ich nähte Masken, entrümpelte den Bücherschrank meiner Eltern, Helge brachte den Bus auf Vordermann und half im Garten rum zu schnibbeln. Wir schafften uns (ENDLICH) einen Tablethalter für die Gurke an, sodass ich diese Aufgabe nicht mehr (händisch!) übernehmen musste.
Ich begann ein Buch zu schreiben. Und Abends telefonierten wir lange mit alten Freunden und frischten Kontakte auf … und das fand ich an der Corona-Zeit am allerbesten.
Klitzekleine Konflikte
Das hört sich alles Friede-Freude-Eierkuchen an, aber tatsächlich hatten wir teilweise solche Meinungsverschiedenheiten mit meinen Eltern, dass ich schon nach möblierten Wohnungen geschaut habe.
Und das kam so: Als wir völlig erschöpft nach einer 13-Stunden-Autofahrt von Nordspanien nach Frankreich bei meinen Eltern ankamen, wurden wir nicht nur mit den sprichwörtlich offenen Armen, sondern auch von meiner Oma begrüßt, die meine Eltern zum Essen abgeholt hatten.
Der Katastrophenmodus lief heiß
Uns fiel die Kinnlade herunter: HALLO??! Wir kamen gerade aus Spanien? Wegen einer weltweiten Pandemie??
Während Helge und ich im Kastastrophenmodus heißliefen, nahmen meine Eltern die Situation total locker. Wir begannen uns mit Vorräten einzudecken, so wie wir das auch von unserer Reise gewohnt waren: Notfalls auch mal ein, zwei Wochen ohne einkaufen zu gehen auszukommen. Meine Eltern konnten sich nur schwer an diese Vorstellung gewöhnen. Mein Vater überlegt morgens, was er kocht und kauft so fast täglich noch die Sachen zu, die ihm dafür fehlen. Wir bestanden auf einem einwöchigen Essensplan, um die Fahrten in den Supermarkt zu reduzieren.
„Ach so schlimmes Asthma hab ich doch garnicht“
Wir sahen meine Eltern (beide um die 60) als Risikogruppe und hätten es am liebsten gesehen, wenn sie in der ersten Zeit gar nicht mehr vor die Türe gegangen wären. Für beide stand das leider überhaupt nicht zur Diskussion. Meine Mutter („ach so schlimmes Asthma hab ich doch garnicht“) wollte unbedingt in die Schule gehen um ihre Kolleginnen zu unterstützen.
Mein Vater sah sich mit unseren Kontaktbeschränkungen seiner Identität beraubt. Er ist total sozial und liebt es, mit Nachbarn, Bekanntschaften und der Supermarktkassiererin rum zu witzeln.
Quarantäne Reggae
Das Ganze gipfelte darin, dass meine Eltern heimlich einkaufen gingen und mein Vater eines Abends zu einem Bekannten verschwand, um sein selbst gedichtetes Corona-Lied in dessen Studio einzusingen. Ich fühlte mich verarscht. Waren meinen Eltern unser aller Gesundheit nicht wichtig? Das war schließlich ein potentiell tödliches Virus, ohne Gegenmedikament und Impfung?
Wir begriffen langsam, dass für meine Eltern, die Tschernobyl, die Ostblockbedrohung und den sauren Regen der 80er überstanden hatten mit der Methode „Abwarten, wird wohl nicht so schlimm sein, keine Panik“ bisher gut gefahren waren. Wir wollten es trotzdem eher vorsichtig angehen, denn wir dachten uns: „Wenn unsere Großeltern die Einschränkungen des Krieges durchgemacht haben, was sind dann ein paar Monate zu Hause auf dem Sofa sitzen?“
(Keine) Panik?!?
Meine Eltern dagegen: „Wir sind auf dem Land, hier ist das Risiko gering, wir passen schon auf, ohne soziale Kontakte ist das Leben nicht lebenswert.“
Richtig aus dieser Situation heraus manövriert hat uns eigentlich nur die Statistik. Das ganz große Drama in Deutschland blieb aus, Helge und ich entspannten uns. Ein, zweimal hat es aber richtig gekracht und ich bin froh, dass ich als quasi einziges Buch meiner alten Sammlung das Buch zur „Gewaltfreien Kommunikation“ vor Ort hatte. Damit konnte ich meine Bedürfnisse und Ängste kommunizieren, ohne meinen letzten Strohhalm „Wollt ihr eure zukünftigen Enkel denn niemals kennen lernen?“ zu sehr zu strapazieren.
Neues Hobby: Hausbesichtigungen
Letztendlich war es auch manchmal ganz schön, vor allem für mich, denn ich konnte noch mal richtig meiner Gartenleidenschaft frönen und meine ersten Radieschen, Tomaten, Kürbisse, Erbsen, Bohnen, usw. sähen und ernten.
Und wir legten uns ein neues Hobby zu: Hausbesichtigungen in der Eifel. Dazu aber ein andermal mehr.
Ich bin froh, dass wir immer zu meinen Eltern können und dass sie nur ganz wenig nerven. Mein Papa geht voll in seiner Musik auf und hat kleine Konzerte (mit Abstand) im Dorf organisiert. Meine Mutter zerreißt sich zwischen Oma-pflegen und der Schule. Beide sind echt süß und gottseidank können wir alle jetzt schon über unsere Besuchszeit lachen. Aber gottseidank ist die auch rum. <3
Comment
…da sind wir ja noch mal gut weggekommen! Der Bericht hat Spaß gemacht und es gibt nichts Wesentliches hinzuzufügen. Uns war von vornherein wichtig, dass wir auf diese gemeinsame Zeit positiv zurückblicken. Dass wir unsere Kinder als selbständige Erwachsene kennen lernen durften und sie uns nicht mehr nur als ihre Eltern, war eine interessante (!) Erfahrung. Dafür Danke, Corona!
Wir haben euch sehr lieb und freuen uns auf die kommende Zeit.
Gabriele und Robert