Eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen ist es, wie wir einen halben Tag lang in der Eifel an einer Bachböschung eine Treppe in die Erde gegraben haben, damit man den glitschigen Weg zum Wasser leichter hinunter laufen kann.
Ich glaube jeder Mensch sehnt sich danach, mit seinen Händen etwas Sinnvolles von Grund auf zu gestalten. Gunda und David haben sich diesen Traum radikal erfüllt und wir durften ihnen als „Workawayer“ (wie schon in Spanien) zehn Tage lang zur Hand gehen.
Vor drei Jahren kauften ein paar Hippies aus Freiburg ein Stück 30 Hektar großen Dschungel in Südportugal. Die Idee: Die Gründung eines Dorfes nach dem Vorbild von Ralf Otterpohl. Gunda und David sind Mitgründer des Vereins und haben nun einen Hektar um sich dort ihren Traum aufzubauen.
Zitronen-, Mandarinen und Orangenbäume
Stellt euch Stille vor, so still, dass ihr den Bach im Nachbarort noch plätschern hören könnt. Sanfte Hügel, Vogelgezwitscher, eine Eule und 0,0 Lichtverschmutzung in der Nacht. Viel, viel Grün, bunte Erde und den Geruch von Rosmarin.
Auf dem Land wachsen Zitronen-, Mandarinen- und Orangenbäume, Erdbeerbäume (da wird Schnaps draus gemacht), tolle alte Korkeichen, Kiefern und jede Menge Eukalyptusbäume. Eukalyptus wächst sehr, sehr schnell und wird als „nachwachsender Rohstoff“ zur Herstellung von Ökopapier benutzt.
Völlig autark – und wir 10 Tage mittendrin
Gunda und David haben sich dort von Null auf ein kleines Refugium aufgebaut. Den einzigen Vorteil den sie hatten ist das ihnen der alte Besitzer mit einer Raupe ein paar Wege und am Hang eine kleine Plattform geschoben hat. Momentan leben sie mit ihrer kleinen Tochter Mathilda in zwei Wohnwägen und bauen sich was auf. Strom, fließendes Wasser, Klo, Wege – nichts war da, alles muss geschleppt, angelegt, gebaut, improvisiert werden.
Und wir zehn Tage mittendrin! Am ersten Tag gab es von David eine kleine Rundtour über das Gelände im Jeep. Da wir einen Bach durchfahren mussten, hatten wir Schaufeln und eine Spitzhacke im Gepäck, um die Seiten des Gewässers vorher ein bisschen zu begradigen. Dann ab durch den Bach, pures Abenteuer!
Bäume fällen, Rinde abschälen für die Draußenküche
Eine verfallene Ruine auf dem Gelände soll später ein Gemeinschaftszentrum mit Garten werden. Im Garten pflückten wir wilden Senf aus dem uns Gunda später Pesto mit Nudeln kochte, natürlich über dem Feuer! David experimentierte alldieweil mit fermentiertem Gemüse und zeigte uns, wie das geht. Sehr gesund sei das, besonders für den Darm… leider noch nicht so ganz unser Geschmack, aber wir bleiben dran.
Am zweiten Tag stiegen wir voll ein: Helge fällte ein paar Bäume, die Gunda und ich den ganzen Tag MIT DER HAND schälten, also mit einem Messer die Rinde abmachten. Wusstet ihr, dass das geht? Wir nicht, aber es ist sehr meditativ. Helge buddelte noch ein paar Löcher rührte MIT DER HAND Beton an um ein paar Eimer mit Metallstangen im Boden zu versenken. Das alles soll später eine Außenküche werden.
Mathilda, drei kennt schon viele essbare Pflanzen
Am 3. Tag zeigte mir Gunda ihren Garten und wir pflückten ein paar kleine Rüben (hab den Namen vergessen, aber sind saulecker und ein Superfood). Sie pflanzt außerdem unter anderem Saubohnen, Erbsen, Radieschen und Salat an und wir naschten ein paar Blätter Wasserminze und Stevia.
Die kleine Mathilda ist erst „Halb drei!“ und kann schon richtig viele essbare Pflanzen auseinander halten. Manchmal liefen wir einen Weg entlang und sie steckt sich einfach eine tulpenförmige Pflanze in den Mund. „Die kann man essen!!“ Ich, erstmal total panisch: „Lass mal lieber die Mama vorher fragen!!“ Aber alles ok, Kind lebt noch. Mathilda war noch nie beim Arzt, hatte aber während unseres Aufenthaltes große Freude daran, mit mir „Das-Einhorn-hat:-einen-Flügel-gebrochen/-Schnupfen/-Fieber“ zu spielen. Ich nahm das gerne als Teil meiner Workaway-Arbeit an.
Mathilda ist ein frecher kleiner Sonnenschein mit der Energie eines Jungfohlens. Total selbstbewusst, fröhlich, mutig und wahnsinnig clever. Für sie ist das Leben im Dschungel mit Mama und Papa absolut super und wir wünschen uns selbst so frohe kleine Minimenschen.
Mit dem Jeep durch den Urwald
Da wir den Bus der Crew wegbringen mussten, durfte Julia auf dem Hinweg mit dem Jeep durch den Wald brettern fahren. Macht mega Bock. Gunda arbeitet im „normalen Leben“ als Feuerartistin und musste über das Wochenende auf eine Hochzeitsmesse in die Schweiz, weswegen Helge und ich uns gerne um Mathilda kümmerten und im Gegenzug unsere Freunde Simon und Imke mit Kids in den Urwald luden durften.
Mit den Kids und viel Spaß hauten wir dann tatsächlich eine Treppe in den Hang! Alle machten freudig mit und es ist so cool, wenn am Abend eine Tätigkeit abgeschlossen ist. Abends briet David für allemann noch Bratkartoffeln über dem Feuer (Schweinearbeit). Am nächsten Tag mussten uns unsere Freunde leider wieder verlassen – nicht ohne noch beim Rausfahren mit ihrem Camper im Matsch stecken zu bleiben. Jeep „Rocky“ schutzengelte die vier dann aber, sodass niemand zu Schaden kam.
Totale Glücksgefühle wenn was klappt
Gunda war endlich wieder da und während die Männer sich weiter um die Außenküche kümmerten (Balken zurecht sägen, Löcher rein bohren, Wasser herumwagisieren und ein riesen Geodreieck benutzen) kümmerten Gunda, Mathilda und ich uns um 100 Meter Schlauch, mit dem wir von einer Quelle aus eine Wasserleitung legen wollten. Hört sich easier an, als es ist (Knicke in der Leitung, sodass wir Stellen rausschneiden mussten, alles verdreht, haben wir genug Zwitschenstücke?), aber am Ende LIEF DAS WASSER!!! Totale Glücksgefühle und bald können die vier wahrscheinlich durch ihren Holzofen draußen warm baden – mit Blick auf die Sterne. Was will man mehr.
Am letzten Tag ging es schon an die Dachziegel der Draußenküche, leider stoppte das Projekt dann aber noch, weil ein paar Teile fehlten. Das ist der Mist im Urwald: Wenn mal was fehlt, dann muss man ein ganzes Stück zum Baumarkt fahren. Besonderer Mist in Portugal: Es gibt keinen Markt an gebrauchten Sachen, so wie Ebay Kleinanzeigen in Deutschland. Die Portugiesen können ihren Kram selbst noch gebrauchen und haben nicht so eine Wegwerfgesellschaft wie wir! Gebrauchte Badeöfen und -wannen, Campingwagen, Werkzeug, Dachziegel – wenn man etwas aus 2. Hand will, dann muss man sich damit schon in Deutschland eindecken.
Wehmut und Akkordeon
Helge baute eine Halterung für die Solarpanel (ich bin so stolz) und ich half Gunda mit ihrer Homepage und schnitt ihr einen neuen Imagefilm während Mathilda um uns herum turnte. (Mit Kind kommt man ja echt zu gar nichts, besonders nicht dazu sich zu konzentrieren, Mütter da draußen, wie macht ihr das???)
Dann war schon der letzte Abend gekommen und David beglückte uns mit einem kleinen Akkordeonkonzert. Der letzte morgen klimperte dann mit ein paar Abschiedsfotos und viel Wehmut aus.
Ihr drei Aussteiger, wir werden euch vermissen, es war wirklich eine tolle Zeit und wir kommen garantiert wieder! Für uns war es eine fantastische Erfahrung zu sehen: Es ginge, wenn man wollen würde und es hat viele Vorteile, es ist wahrscheinlich näher am „artgerechten“ Leben als alles was der moderne Mensch in der Stadt macht. Man sieht abends was man getan hat, ist die ganze Zeit draußen, hat wenig Reize um sich herum.
„Zu 95 harte Arbeit“
Aber man muss es wollen, so abgeschieden zu leben. Die drei sagen aber: „Wenn wir nicht ab und zu rausgehen müssten, würden wir es nicht machen“. Mathilda geht zweimal die Woche in eine Kinderbetreuung und (noch) können sie sich nicht ganz autark versorgen.
Und: Sich so etwas aufzubauen ist um es mit Davids Worten zu sagen „zu 95 % harte körperliche Arbeit“. Die beiden arbeiten wie die Wahnsinnigen von morgens bis abends, zerhacken Steine, graben Löcher, fällen Bäume, allein die Wege müssen alle gerodet, das Grünzeug getrocknet, verbrannt oder zerhäckselt werden.
Wir sind dann eher Team Aussteigen-aber-in-ein-gemachtes-Nest, vielleicht mit Garten, da ist genug zu tun. Grundsätzlich finden wir was Gunda, David und Mathilda machen aber toll, toll, toll! Und wir glauben, zum glücklichsein braucht es kaum mehr.
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