Man nehme: Gute Freunde, gutes Wetter und viel Grün und bekomme herrliche Tage in Niedersachsen. Aber hier leben?
Wir starten in Osnabrück bei Freunden, die gerade am pornösen Westerberg günstig ein Haus geschossen haben. Pornös, weil da die Reichen und Schönen wohnen. Günstig, weil das Haus vor dem Umbau so voll braun-orangener Blümchentapete war, dass sich vor den beiden niemand ran getraut hat. Mit viel Geschick und Vorstellungskraft haben die beiden sich aber jetzt ein wunderbares Nest gebaut. Schaut mal auf Instagram bei bachelor_of_taste vorbei, da gibt es tolle Vorher-Nachher Bilder.
Zuuuuufällig ist fast nebenan ein Haus zu verkaufen. Filetstück. Auf der einen Seite nur 10 Min zur Osnabrücker Innenstadt, auf der anderen unverbaubarer Blick auf Wiesen und Wald. Reihenendhaus. Fischgrätparkett. 140 Quadratmeter. Träumchen.
800 000 Euro. Selbst wenn wir es uns leisten könnten, wäre es uns das wert? Wir denken, eher nicht.
Was wir aber merken: Freunde nebenan zu haben – das wäre wunderbar!
Wir ziehen weiter ins Emsland.
Großhesepe, Meppen, Lingen, da die Ecke. Es wird pamperiger. Wieder: Gutes Wetter, gute Freunde, deren Oma-Haus in einem Dörfchen steht.
Dort das Gegenteil: Sie haben das Riesen-Haus mit Riesen-Keller und Riesen-Garten – und alles nach dem Tod der Oma nicht mal für 140 000 Euro verkauft bekommen. Deswegen behalten sie es erst einmal selbst.
Wir erkunden die Gegend. Wir mögen: Die Einsamkeit, die Nähe zu Holland, das Grün und die Glasfaser-Internetverbindung.
Was wir nicht so mögen: „Niedersachsen hat 0,0 Alleinstellungsmerkmal“, sagt Helge. „Es gibt ohne Zweifel schöne Ecken und nette Menschen, aber die gibt es auch woanders. Landidylle und günstige Häuser gibt es auch in Brandenburg, Saarland und Thüringen.“
Die Mentalität ist eher nordisch, das kann man gut oder schlecht finden. Aber für uns ist es auch kein Grund weswegen wir unbedingt dort wohnen wollen.
Und: Es ist sooo flach! „Da sieht man morgens schon, wer abends zu Besuch kommt“, witzelt einer. Dann gehen wir ins Moormuseum und lernen: Niedersachsen war eigentlich fast komplett Moor.
„Jahrtausendelang lag der Boden wie tot. Erst durch die Hand des Menschen wird er lebendig!“ sagt der 50er Jahre Nachrichtensprecher im Museum. Nach dem 2. Weltkrieg brauchte man durch die Ost-Vertriebenen auf einmal viel Land.
Die Idee: Das großflächige Moorgebiet Niedersachsen in Weideland und Felder umzuwandeln. Wie geht das? Indem man Entwässerungskanäle anlegt, die Torfschichten oben abträgt und Sand drauf kippt. Und so machte man in extrem kurzer Zeit die Gegend landwirtschaftlich nutzbar.
Wir fahren einmal quer durch das Land. Kaum Tankstellen, kaum Supermärkte, aber viele, insgesamt über 35 000 Bauernhöfe.
Niedersachsen hat mehr Schweine als Einwohner und ist deutscher Meister in der Land- und Forstwirtschaft.
Vor allem beim Fleisch. 2016 hat die niedersächsische Fleischwarenindustrie (inklusive Schlachtungen) über 10 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Das sind viele Tiere. Und die machen viel Scheiße.
Es gibt soviel Scheiße, dass die quer durch Deutschland transportiert werden muss. Und trotzdem wird, weil man sie so schnell und unkompliziert loswird, viel zu viel als Dünger auf die Wiesen gebracht.
Das versaut auf Jahrhunderte das Trinkwasser.
Sorry, Niedersachsen, aber wir, da wir eine Zukunft für uns und unsere potentiellen Kinder suchen können uns einfach nicht vorstellen dort hin zu ziehen wo man wissentlich das Trinkwasser mit Scheiße vergiftet.
Und wir fragen uns, ob es überhaupt jemanden gibt, der das unter diesen Bedingungen freiwillig tut. (Außer: Verwandschaftsverhältnisse, oder Job. Sollte sich jemand angesprochen fühlen: Meldet euch gerne bei uns!)
Einen wunderbaren Imker, den wir treffen und bei dem wir eine Nacht stehen dürfen fragen wir, ob er gerne in Niedersachsen lebt. Er überlegt (er wohnt echt idyllisch auf einer waldlichtung. Dann sagt er: „Wenn ich noch einmal entscheiden könnte, würde ich in den Schwarzwald ziehen.“