Zu Besuch im CO2-neutralen Ökodorf: Wir sind neugierig auf verschiedene Lebensformen und haben daher die niederländische Earthship-Siedlung Aardehuis besucht.

Earthship (‚Erdschiff‘) sind Häuser aus natürlichen und recycelten Baustoffe. Sie sind weitestgehend autark hinsichtlich Wärme, elektrischer Energie, Wasser und Abwasser. Entwickelt wurde das Prinzip der Earthships in den 1970er Jahren vom amerikanischen Architekten Michael Reynolds.
Unser erster Earthship-Eindruck: Wir sind im Auenland gelandet!
So viel (essbares) Grün! Und die Häuschen mit ganz viel Liebe zum Detail gebaut. Mit eingearbeiteten Glasflaschen in Wänden, was tolle Lichteffekte macht. Mit Mosaiken aus verschiedensten Fliesen. Mit viel kunstvoll-Recyceltem, was echt stylisch aussieht!
Miriam, eine der Gründerinnen des Dorfes führte uns über das Gelände. Sie hat die 23 Häuser der Siedlung mit ihren Mitstreitern und vielen Freiwilligen zwischen 2011 und Ende 2014 gebaut.
Dabei haben sie die Außenwände jeweils gemeinsam gebaut, für den Innenausbau war jeder selbst zuständig. Das Know How besorgte sich die Crew, die sich erst über das Projekt kennenlernte, aus dem Internet.
Unterstützt wurden sie von der Gemeinde, die die Siedlung als Prestigeobjekt befürwortet. Außerdem wurden drei der Häuser mit staatlicher Unterstützung als Sozialwohnungen gebaut und jetzt vermietet.
Es sieht sehr romantisch aus, leider es gibt viele ABERS:
- Die ersten Häuser wurden mit gebrauchten Autoreifen errichtet. Es stellte sich aber heraus, dass die Bauweise zu langsam, schwierig (weil die Reifen abgestützt werden mussten) und daher auch gefährlich war. Deswegen schwenkte man über auf Wände aus Stroh, die mit auch mit Lehm verkleidete. Das ging schneller.
- Jedoch: Das Klima in den Niederlanden ist nicht für die Stroh-und Lehm-Technik eignet. Denn: Es ist zu feucht! Das Stroh in den Wänden zieht Wasser und gammelt! Ein anderer Teilnehmer der Führung meinte, er würde Kalk statt Lehm empfehlen.
- Stroh ist – wer hätte es gedacht – brandtechnisch nicht ungefährlich. Denn brennt es in einem Earthship einmal, kann die Feuerwehr nur schwer den Brandherd ausmachen.
- Der Bau der Earthship-Siedlung war unglaublich zeitintensiv. Denn die Community hatte sich vorgenommen, möglichst alle Baumaterialien zu recyceln. Das bedeutet, dass Balken zum Beispiel bei Ebay Kleinanzeigen geschossen wurden – in den unterschiedlichsten Längen. Und: Mit Nägeln, die vor dem Einbau rausgezogen werden mussten! Außerdem dauert, so Miriam, der Einbau zum Beispiel von Fenstern unterschiedlicher Größe extrem lange.
- Viele, viele, viele Kompromisse. Wir haben Miriam gefragt, was die größere Herausforderung war: die Earthships zu bauen, oder die Interessen der Mitstreiter unter einen Hut zu bekommen?
Wir waren etwas geschockt, wie baufällig das von uns besuchte Haus im Inneren wirkte. … Vielleicht dann doch lieber Profis machen lassen? Das Haus ist keine fünf Jahre alt :O
Sie antwortete wie aus der Pistole geschossen:
Die immer wieder kehrenden Kompromisse.
Beispiele:
- Manche Earthship-Mitstreiter brachten sich sehr ein, kündigten ihren Job und arbeiteten Vollzeit an ihren Häusern. Andere kamen „nur“ am Wochenende, verlangten aber das gleiche Mitspracherecht. Es sei schwer gewesen, so die gute Stimmung aufrecht zu erhalten.
- Nicht alle hatten das gleiche Motiv, sich ein Earthship zu bauen. Manche wollten möglichst günstig bauen. Daher waren sie empfänglich dafür sich an die örtliche Wasserleitung der nahen Neubausiedlung anschließen zu lassen. Andere wollten möglichst autark leben, auch wenn das höhere Kosten mit sich brachte.
Ergo: Gerade Mitstreiter, die handwerkliches Vorwissen hatten seien während des Prozesses oft abgesprungen. Sie wollten lieber ihre eigenen Visionen verwirklichen.
Bei all den ABERs bleiben jedoch trotzdem viele Dinge, die uns gut gefallen.
Die meisten Häuser haben keine Zäune und die Siedlung ist komplett Auto-frei. Es gibt ein Gemeinschaftshaus und einen gemeinsamen Brunnen. Alle passen, so Miriam, auf die Kinder auf.
Wir mögen das viele grün, die wilden Gärten. Wir mögen, dass Strom (zumindest im Sommer) selbst produziert wird und viel recycelt wird.
Das nehmen wir für uns mit.
Aber: Ein Earthship können wir uns nach dem Besuch nicht für uns vorstellen.